Schön & schrecklich zugleich – Königliche Gewächshäuser Brüssel

königliche gewächshäuser in laken
[Update Februar 2024] Bereits aus der Ferne fällt der Blick auf die sich in Richtung des Schlosstores bewegende Menschenmenge. Eine beträchtliche Anzahl von Besuchern hat sich auf den Weg zum belgischen Palast gemacht, um die renommierten königlichen Gewächshäuser in Laeken zu erkunden, die lediglich drei Wochen im Jahr für die Öffentlichkeit zugänglich sind. Nachdem wir das Schlosstor passiert haben, folgen wir dem Strom der Gäste zur imposanten Orangerie, hinter der sich das imposante Glasensemble der Gewächshäuser erstreckt.

Solltest du einen Trip in die belgische Hauptstadt planen, findest du hier meine nachhaltigen Tipps & Empfehlungen im Green Guide Brüssel.

Gewächshäuser Laeken Brüssel Belgien - Orangerie

Die Sonne stahlt vom blauen Himmel, der akkurat geschnittene Rasen könnte kaum grüner sein. Aber wer glaubt, er könne jetzt ungezwungen durch den weitläufigen Park flanieren und sich an der außergewöhnlichen Jugenstilarchitektur erfreuen, wird gleich eines Besseren belehrt.

Die Pfade sind sorgfältig abgesteckt, und die Besucher müssen sich strikt an die vorgegebene Laufrichtung halten. Jeder Wegpunkt ist präzise festgelegt, um sicherzustellen, dass niemand von der vorgeschriebenen Route abweicht. Als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme behält das aufmerksame Wachpersonal an jeder Ecke ein wachsames Auge auf die Besucher, um sicherzustellen, dass das gemeine Volk die Schönheit des Parks und der Architektur nur innerhalb der vorgesehenen Grenzen genießt.

Gewächshäuser Laeken Brüssel Belgien - Blick zum Japanischen Turm

Das tropische Refugium, das sich wie eine bezaubernde Glasstadt über vier Hektar erstreckt, offenbart eine Welt der Pracht und architektonischen Eleganz. Wunderschön sind die Arkaden und Gänge, die Bögen und Streben, die fast zu schweben scheinen und aus jeder Richtung eine neue, beeindruckende Perspektive bieten. In der Mitte der gewaltige Kuppeldom des “Jardin d’hiver” mit einer Krone als Abschluss.

Der Wintergarten als Herzstück der Anlage

Der Wintergarten, entworfen von dem Architekten Alphonse Balat und zwischen 1874 und 1876 errichtet, markierte den Beginn der beeindruckenden ‘gläsernen Stadt’, die sich über etwa dreißig Jahre hinweg in der Domäne von Laeken entwickeln sollte.

Dieses Gewächshaus, das erste seiner Art, beeindruckt nicht nur durch seine architektonische Pracht, sondern auch durch seine historische Bedeutung. Die großzügigen Dimensionen erlaubte die Anpflanzung majestätischer, hochstämmiger Palmen, von denen viele noch aus der Ära Leopolds II. stammen.

Nach seiner Fertigstellung erfüllte der Wintergarten eine besondere Funktion, denn er wurde eigens für königliche Empfänge verwendet. Die strahlende Glaskonstruktion diente als prachtvolle Kulisse für royale Veranstaltungen.

Im Innern ein Pflanzenmeer. Riesige Palmen, bunte Blüten, plätschernde Wasserfälle. Es grünt und wuchert. Wobei – von Wuchern kann eigentlich keine Rede sein. Jedes Zweiglein ist sorgfältig gestutzt. Keine welkes Blatt stört das Auge. Hier müssen Heerscharen an Gärtnern Akkordarbeit leisten. Keine Ahnung, was es kostet, den Monumentalbau zu beheizen und die Pflanzen zu bewässern. Viel, vermute ich.

Apropos Geld

An diese Stelle will ich einen kurzen Blick zurück in die Geschichte werfen. Der monumentale Komplex wurde zwischen 1874 und 1895 gebaut. Auftraggeber war der belgischen König Leopold II., der Entwurf stammt vom Architekten Alphonse Balat. Zu damaligen Zeit brach der Kristallpalast alle Rekorde. Nie zuvor war in dieser Form mit Glas und Eisen gebaut worden. Die Gewächshäusern waren die Vorreiter der Ästhetik, die kurz danach als Jugendstil bekannt werden sollte.

Der Monarch – so wirkt es, wenn man in den Gewächshäusern steht – hielt sich nicht gerne mit Kleinigkeiten auf. Um seine gigantischen Projekte zu finanzieren, mussten die nötigen Finanzmittel bereitgestellt werden. Diese stammten zum Großteil aus dem Kongo, der sich von 1885 bis 1908 im Privatbesitz des belgischen Königs befand. Die systematische Ausplünderung des Landes wurde als Kongogräuel bekannt. Sklaverei, Zwangsarbeit, Folter, Gewaltexzesse, Verschleppungen und Hunger sorgten dafür, dass schätzungsweise 10 Millionen Menschen starben.

Königliche Gewächshäuser in Laken – Historische Hintergründe

“Wenn man im Distrikt Kautschuk sammeln will, dann muss man Hände, Nasen und Ohren abschneiden”, empfahl ein Verwalter. Die Kolonialbeamten und ihre Söldnertruppe namens Force Publique trugen den Terror in die hintersten Urwalddörfer. Tausende, die sich weigerten, Zwangsarbeit zu leisten, oder das Sammelsoll für Kautschuk nicht erfüllten, wurden gefoltert, verstümmelt, erschossen oder mit der Chicotte, der Nilpferdpeitsche, totgeschlagen. (Zitat aus DIE ZEIT Gulag im Dschungel – Adam Hochschilds Studie über den vergessenen Völkermord im Kongo)

Der Kongo erwirtschaftete Jahr für Jahr größere Gewinne: Nach Schätzungen des belgischen Historikers Daniël Vangroenweghe waren es zwischen 1885 und 1908 umgerechnet bis zu 125 Millionen Euro. Andere Schätzungen gehen sogar von bis zu 500 Millionen Euro aus. Mit dem Blutgeld finanzierte Leonard II. Prachtbauten wie das heutige “Königliche Museum für Zentral-Afrika” in der Nähe von Brüssel. (Zitat aus PLANET WISSEN Belgien und der Kongo – Weißer König, schwarzer Tod)

Dieses düstere Kapitel der Geschichte, gezeichnet von Tod, Unterdrückung und Ausbeutung, darf nicht vergessen werden. Es ist unerlässlich, das Bewusstsein für die Verantwortung zu schärfen und die Erinnerung an diese schmerzliche Vergangenheit wach zu halten, anstatt sie zu ignorieren.

Gewächshäuser Laeken Brüssel Belgien - Steinfigur

Finanzierung von Pomp & Gloria

Das Geld aus dem Kongo floss nicht nur in die Gewächshäuser, sondern auch in viele andere Prestigeprojekte wie den Ausbau des Schlosses, in den Jubelpark samt Triumphbogen, der zum 50. Geburtstag Belgiens 1881 errichtet wurde, und das Königliche Museum für Zentralafrika in Tervuren.

1900 wandelte Leopold II eines Großteil seines Besitzes – u. a. auch die Gewächshäuser –  in eine königliche Schenkung um und übergab sie dem Staat, der seither für den Erhalt aufkommen muss. In den Schenkungsbedingungen wurde unter anderem festgelegt, dass das Volk drei Wochen pro Jahr Zugang zu den königlichen Gewächshäusern hat, die es mit seinen Steuergeldern finanziert. Ein echter Akt der Großzügigkeit!

Ich wundere mich sehr, dass diese Regelung immer noch eingehalten wird. Es stellt sich die berechtigte Frage, warum nicht nachhaltige Maßnahmen ergriffen werden, um einen dauerhaften Zugang für die Bürger zu gewährleisten, die mit ihren Steuergeldern für die Finanzierung aufkommen. Genauso wie ich nicht verstehen kann, dass dieses düstere Kapitel der Geschichte an keiner Stelle des Rundgangs auch nur angeschnitten wird. Auf die Hintergründe bin ich nur gestoßen, als ich anfing, selbst im Internet zu den Gewächshäusern zu recherchieren.

Die Geschichten, die diesem Ensemble zugrunde liegen, sind vielschichtig und werfen Fragen auf, die nicht unbeachtet bleiben sollten. Das Bewusstsein für die historischen Hintergründe schärft nicht nur den Blick für die Schönheit der Architektur und Botanik, sondern ermöglicht auch eine kritische Reflektion über die Vergangenheit und die Verantwortung, die mit der Bewahrung dieses Erbes einhergeht. Dieser Ort sollte nicht nur die transparente Schönheit der Gewächshäuser feiern, sondern auch die Wahrheit über ihre Entstehung widerspiegeln.

Gewächshäuser Laeken Brüssel Belgien - Eingang

Königliche Gewächshäuser in Laken – Praktische Informationen

Standort Königliche Gewächshäuser Lacken 

Domaine Royal de Lacken, Avenue du Parc Royal, 1020 Laeken (Brüssel)

Ein- und Ausgang durch die Ehrentore des Schlosses von Laeken, Koninklijke Parklaan 61, 1020 Brüssel.

2024 ist das Gelände vom 26. April bis 20. Mai für die Öffentlichkeit zugänglich (montags geschlossen, außer am Pfingstmontag, den 20. Mai). Der Verkauf von Eintrittskarten startet Anfang April.

Ticketkauf & Eintrittspreise Königliche Gewächshäuser in Laken: 

Wer die Gewächshäuser besuchen möchte, muss die Tickets auf www.monarchie.be buchen. Vor Ort können die Tickets nicht gekauft oder reserviert werden!

Der Eintritt kostet fünf Euro für Personen ab zwölf Jahren.

Kinder unter 12 Jahren haben kostenlosen Zugang, doch auch für sie ist eine vorherige Reservierung auf auf www.monarchie.be erforderlich.

Öffentliche Verkehrsmittel und Parkmöglichkeiten:

Alle Informationen zur Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln befinden sich auf www.monarchie.be. Ein Parkplatz mit einer begrenzten Anzahl von Plätzen (Dynasty-Parkplatz) wird gegenüber dem Eingang der Königlichen Domäne eingerichtet. Gegenüber dem Eingang der Königlichen Domäne befindet sich auch ein unbewachter Unterstand für Fahrräder.

Routen durch die königlichen Gewächshäuser in Laken

Besucher können für ihre Besichtigung zwischen einer langen (2,5 Stunden) und einer kurzen (1,5 Stunden) Route wählen.

Lange Route:

  • Beginn mit einem Spaziergang durch die Gärten der Königlichen Domäne
  • Entdeckung der wunderbaren Architektur der Gewächshäuser aus der Distanz
  • Route entlang der Tempelruinen an den Rand eines der Teiche und an den kreisförmigen Rosengarten

Kurze Route:

  • Nach dem Spaziergang durch die Gärten schließt die lange Route an die kurze Route in Richtung der Gewächshäuser an.
  • Besuch des Gewächshauskomplexes: Palmenplateau mit dem Débarcadère, Palmenhaus, Azaleenhaus, Geraniengalerie, Dianahaus und Spiegelhaus
  • Besuch der großen Gewächshäuser: dem Perronhaus oder Embarcadère, dem Kongohaus mit subtropischen Pflanzen, dem kuppelförmigen Wintergarten und der Orangerie

Ich weiss, es ist ein grausames Thema. Ich habe länger überlegt, wie ich über die Gewächshäuser schreiben soll, aber ich finde es wichtig, dass in einem Reiseblog auch solche Aspekte zur Sprache kommen sollten. Wusstest du von dieser Vergangenheit? Ich nicht und ich glaube, so etwas darf nicht in Vergessenheit geraten.MerkenMerkenMerkenMerken

Comments 10
  1. Ein guter Bericht. Ich war schon mehrfach dort u d habe durch dich viel Neues erfahren. Dankeschön!
    Ich werde auf meiner Seite renardum.com mal einen Link setzen wenn du einverstanden bist.

  2. Da müsste man in Europa ganz schön rumrühren, wenn man die Kolonialzeit aufarbeitet. Es gibt da fast kein Land in Europa, das da nicht eine sehr dunkle Vergangenheit hat.
    Soll das obige Thema nicht entschuldigen, oder gar relativieren, im Gegenteil
    Ich finde obigen Artikel sehr gut!

    1. Ja, das stimmt leider. Bei der ganzen Kolonialgeschichte hat sich kein Land mit Ruhm bekleckert. Bei den Gewächshäusern war es mir halt besonders aufgefallen und ich wollte es einfach thematisieren, weil sonst kritische Stimmen in Reiseblogs eher selten sind. Danke für dein gutes Feedback dazu!

  3. Ich musste das erst einmal sacken lassen. Dass vor Ort überhaupt nicht auf die Historie eingegangen wird, ist mehr als befremdlich… Sonderbar auch, dass Publikum nur für drei Wochen Zugang zu den Gewächshäusern hat. Ich dachte tatsächlich, dass die Königsfamilie Eigentümer und Finanzier sei.
    Was wir uns aber auch bewusst machen müssen: Grauenhafte Ausbeutung für die Annehmlichkeiten der industrialisierten Welt gibt es auch heute allüberall. Man denke nur an die Förderung und Verarbeitung von Seltenen Erden in China für unser aller Smartphones, PCs & Co :/ Ich habe das Gefühl, wenn man so richtig tief einsteigt, findet man kaum ein Produkt, kaum einen Ort, der nicht mit einer dunklen Geschichte verbunden ist. Oder sehe ich das alles zu schwarz?

    1. Hallo liebe Jutta,
      ich war sehr gespannt, was Du wohl sagen würdest, zumal wir uns ja im Vorfeld über die Gewächshäuser unterhalten hatten. Ich war zunächst auch völlig ahnungslos und habe es kaum glauben können, was letztendlich alles über die Hintergründe zu lesen war.

      Leider ist es wirklich so, dass das kein Einzelfall ist. Nicht annähernd. Wahrscheinlich würde man an vielen Stellen viele Geschichten zutage fördern, sobald man sich intensiver mit einem Thema befasst. Das sehe ich ganz genauso wie Du. Ändern kann man nichts mehr, aber dazu stehen und daraus lernen – das wäre schon gut. Vor allen Dingen fände ich das auch von offizieller Seite unabdingbar. Zumindest ich habe davon nichts mitbekommen…

      Ja, und auch heute gibt’s leider noch genug Ausbeutung, an der Menschen, Umwelt, Tiere leiden müssen. Wir können wohl nur versuchen, hinzusehen und wo’s geht, den einen oder anderen Beitrag für Veränderungen zu leisten.

  4. Das ist der Hammer. Vor allem die scheinbar fehlende Aueinandersetzung mit dem Thema vor Ort… Toller Bericht und wie immer richtig gut geschrieben! Danke! 🙂

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