Ethnotourismus – Wie gefährlich ist die hautnahe Begegnung mit fremden Kulturen?

Ethnotourismus

Ob das geheimnisumwobene Volk der Maya, traditionell bemalte afrikanische Ureinwohner oder die strenggläubige Gemeinschaft der Amischen: Fremde Kulturen üben eine große Faszination aus. Da ist es nicht überraschend, dass es mittlerweile organisierte Reisen gibt, die Touristen in Kontakt zu verschiedenen Volksgruppen bringen.

Doch birgt diese hautnahe Begegnung mit der lokalen Bevölkerung ein Risiko? Was sind die Gefahren des Ethnotourismus?

Was ist Ethnotourismus?

In eine fremde Kultur eintauchen – das ist das vorrangige Ziel vieler Reiselustiger, die die große, weite Welt für sich entdecken möchten. Auf spannenden Erlebnisreisen bekommen sie Einblicke in fremde Kulturen und sammeln unvergessliche Erinnerungen. Wenn Bevölkerungsgruppen und deren Lebensweisen in das Zentrum der Reise rücken, spricht man vom sogenannten Ethnotourismus.

Der Ethnotourismus umfasst also alle Reisen, bei denen die persönliche Begegnung mit anderen Völkern und Kulturen eine übergeordnete Rolle spielt. Meistens werden besonders exotische Reiseziele ausgewählt – Länder, in denen sich die Kultur der einheimischen Bevölkerung möglichst stark von der eigenen, vertrauten Lebenswelt unterscheidet. Schließlich ist das Interesse an der fremden Kultur umso größer, je weniger man darüber weiß.

Hier ein paar wichtige Merkmale des Ethnotourismus:

  • Die hautnahe Begegnung mit den Einheimischen kann unterschiedlich lange sein: vom bloßen Fotografieren über den Besuch traditioneller Feste bis hin zur Übernachtung bei der ausgewählten Volksgruppe.
  • Das touristische Interesse an der einheimischen Bevölkerung ist in der Regel vielseitig. Es beschränkt sich nicht nur auf die Menschen und ihre jeweilige Lebensweise, sondern bezieht sich auch z. B. auf handgefertigte Gegenstände wie traditionelle Schmuck- und Kleidungsstücke.
  • Ethnotouristische Reisen sind größtenteils organisierte und geführte Gruppenreisen, die direkt zur indigenen Bevölkerung führen. Um den Touristen die fremde Kultur vor Ort näherzubringen, werden z. B. Treffen mit Einheimischen vereinbart, die von ihren Lebensweisen erzählen. Auch Führungen durch längst vergessene Bergdörfer oder Besuche von kulturellen Zeremonien werden u. a. organisiert.

Mögliche Gefahren des Ethnotourismus

Für Reiselustige geht oft ein ganz großer Traum in Erfüllung, wenn sie z. B. einem amerikanischen Ureinwohner in festlicher Kleidung oder einem kunstvoll bemalten Aborigine direkt gegenüberstehen. Dieser Moment hat für viele einen unbezahlbaren Wert. Schließlich können weder eine Oscar-nominierte Dokumentation noch ein weltweiter Beststeller eine Kultur so gut nahebringen wie eine persönliche Begegnung.

Doch während der Ethnotourismus viele Touristen glücklich macht, sorgt er bei den Einheimischen nicht immer für Begeisterungsstürme. Die Reisen zu fremden und exotischen Volksgruppen können nämlich verschiedene Gefahren in sich bergen.

Kulturanpassung

Für ethnotouristische Reisen sind besonders jene Bevölkerungsgruppen interessant, die in Rückzugsräumen wie beispielsweise Regenwäldern leben. Aufgrund ihrer geographisch isolierten Lage ist ihre Kultur meistens weitgehend unberührt. Und das ist genau der Haken: Je mehr Touristen es in diese abgeschiedenen Gegenden verschlägt, desto größer ist das Risiko für eine Kulturanpassung.

So kann es passieren, dass z. B. Tänze und Gesänge, die früher noch eine religiöse oder gesellschaftliche Bedeutung hatten, so weit verändert werden, dass sie nur mehr eine Touristenattraktion sind. Auch bei traditionellen Handwerksprodukten ist die Gefahr groß, dass diese immer mehr ihr ursprüngliches Aussehen verlieren – nur um den Geschmack der Reisenden zu treffen. Auf diese Weise können sich die Einheimischen zwar etwas Geld dazuverdienen, aber wertvolle Kulturgüter gehen dadurch zunehmend verloren.

Normen- und Wertewandel

Nicht nur kulturelle Ausdrucksformen, sondern auch Denk- und Sichtweisen der indigenen Bevölkerungsgruppen können sich durch Touristenbesuche verändern. Insbesondere bei jungen Menschen ruft der Fremdenverkehr einen Normen- und Wertewandel hervor. Sie identifizieren sich mit den Ansichten und Verhaltensmustern der Touristen und beginnen sich nach Veränderungen in ihrem Heimatland zu sehnen.

So kann es vorkommen, dass Einheimische manche ihrer moralischen, politischen und sozialen Überzeugungen über Bord werfen und sich mehr den westlichen Denkmustern anpassen. Ihre ursprünglichen Normen und Werte gehen dadurch immer mehr verloren. Das Ergebnis: Durch ihre veränderten inneren Überzeugungen unterliegen auch ihre Lebensweisen einem unaufhaltbaren Wandel.

Umweltbelastung

Volksgruppen, die im Zentrum von ethnotouristischen Reisen stehen, leben meistens in nahezu unbewohnten Regionen, inmitten einer artenreichen Flora und Fauna. Gerade diese geographischen Räume müssen geschützt werden, denn eine intakte Umwelt ist das Grundkapital für viele Menschen in den Ländern des Globalen Südens.

Durch den wachsenden Fremdenverkehr kommt es jedoch häufig zu einer Fehl- oder Übernutzung der natürlichen Ressourcen vor Ort. So ist das Risiko groß, dass Reisende den Lebensraum der indigenen Bevölkerungsgruppen immer mehr zerstören – sicherlich eine der Schattenseiten des Tourismus.

Checkliste für nachhaltigen Ethnotourismus

Der Ethnotourismus birgt deutliche Gefahren in sich. Das bedeutet jedoch nicht, dass der Kontakt zu fremden Kulturen komplett unterbleiben muss. Stattdessen geht es vor allem um dein persönliches Verhalten – der einheimischen Bevölkerung zuliebe. Hier eine kleine Checkliste, wie du den Besuch einer fremden Volksgruppe nachhaltig gestaltest:

  1. Gehe respektvoll und zurückhaltend mit den Menschen um, die dir begegnen – lerne z. B. die wichtigsten Wörter in der Landessprache.
  2. Bedenke, dass es sich bei indigenen Völkern um echte Lebensräume und Communities handelt. Respektiere die Privatsphäre Einheimischer und akzeptiere auch ein „Nein“, wenn es zum Beispiel um Fotoaufnahmen geht.
  3. Hinterlasse keine Abfälle auf Entdeckungstouren in der Natur und packe jeden Müll wieder schön in deinen Rucksack.
  4. Verhalte dich immer vorbildlich und halte dich an die Anweisungen des Guides.
  5. Gib den Menschen vor Ort ein kleines Trinkgeld – z. B. wenn sie dich durch ihr Dorf führen oder dich bekochen.

Wer sich auf eine ethnotouristische Reise begibt, dem sollte es nicht nur um schöne Erlebnisse und eindrucksvolle fotografische Aufnahmen gehen. Man sollte sich der möglichen Gefahren des Ethnotourismus bewusst sein und jeder fremden Kultur mit Respekt und Fingerspitzengefühl begegnen. Dann lässt es sich entspannt in eine andere Welten eintauchen.

Mein Lesetipp: Eco Tourismus – Wie nachhaltig sind Homestays?


Dieser Artikel über Ethnotoursimus ist in Zusammenarbeit mit mojaTRAVEL GmbH entstanden. Autorin des Gastartikels ist Kathleen Schau.

Kathleen Schau und Lucas Glasmacher sind Geschäftsführer des Aktiv-Reiseveranstalters. Seit der Gründung 2005 setzt sich das Team zum Ziel, individuelle Momente und authentische Erlebnisse für Reisende zu kreieren. Diese reichen von Wander- und Trekkingreisen über Natur- und Winterreisen bis hin zum spannenden Erlebnis-Urlaub.

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