Namasté, Kathmandu! Unterwegs in der alten Königsstadt

Kathmandu Reisebericht

Schon der Name klingt wie eine Zauberformel: KATHMANDU.  Die alte, sagenumwobene Königstadt steckt voller Geheimnisse, Verheissungen und Sehenswürdigkeiten. Mir wird jedoch auch schnell klar, dass Faszination und Verfall in der nepalesischen Hauptstadt nah beieinander liegen.

Sehenswürdigkeiten in Kathmandu

Die Stadt ist anfangs ein Angriff auf alle Sinne

Wahrscheinlich gibt es nur wenige Orte, die mit so einer unermesslichen Reizüberflutung aufwarten können. Ich lasse mich im Labyrinth der Gassen von einem Eindruck zum nächsten treiben. Mit bunter Farbe gepuderte Steinfiguren, ein altes Motorrad, hinter dem sich winzige Entenküken zusammenkauern und eine Frau, die sorgfältig Knoblauch, Ingwer und Chili zu kleinen Kunstwerken auftürmt. An einer Wasserstelle wird eifrig Wäsche gewaschen, überall liegen magere Kühe und große Taubenschwärme bevölkern die Plätze. Ein alter Steinaltar scheint fast unter einem Baum zusammenzubrechen, der über Jahre seine Wurzeln in dessen Mauern gegraben hat.

Weiterer Lesetipp zu Nepal: Dal Bhat & Co – typisch nepalesisches Essen.

Wenn die Nacht durch die Straßen kriecht

Wie ein tiefschwarzes Seidentuch legt sich die Dunkelheit über die Stadt – nur erhellt durch vereinzelte Lichtinseln aus Petroleum-Lampen, Kerzen und Holzfeuern. Die Flammen werfen tanzende Lichter und Schatten auf das Pflaster. Es herrscht Stromausfall. Das ist Alltag in einer Stadt, die nicht genug Energie für ihre Bewohner hat. Also wird der Strom rationiert und nach Plan auf die einzelnen Stadtviertel verteilt. Die Finsternis, so scheint mir, lässt die Fassaden abweisend und düster erscheinen. Jede Seitengasse wird zu einem dunklen Schlund und die altersschwachen Holzbalkone und Dachvorsprünge scheinen sich voll Schwermut noch etwas tiefer nach unten zu beugen.

Chaos & Hektik

Die Straßen, die sich in der Nacht zuvor in ein finsteres Schweigen gehüllt haben, erwachen bei Tagesanbruch zu lautstarker Betriebsamkeit. Überall klingeln und knattern und drängeln Taxis, Busse, Fahrräder, Rikschas und Mopeds. Regeln scheint es keine zu geben oder zumindest sind sie nicht erkennbar. Offiziell herrscht Linksverkehr, aber davon ist nicht viel zu merken. Da es keine Fahrbahnmarkierungen gibt, bahnt sich jeder lautstark hupend seinen Weg. Am Straßenrand stolpert man über achtlos weggeworfenen Müll. Ein für europäisches Empfinden erschreckendes Wirrwarr aus Stromleitungen spannt sich von Haus zu Haus und über ganze Straßenzüge hinweg.

Nepal - Kathmandu - Reisen - Reisetipps - Alte Frau im Tempel

Kwa Bahal, im Goldenen Tempel von Patan

Kathmandu – Die alternde Diva

Ich gehe im historischen Zentrum an Gebäuden vorbei, von denen eines schöner als das andere ist, aber fast jedes deutliche Spuren des Verfalls zeigt. 1979 wurde das Tal mit den drei Königsstädten Kathmandu, Patan und Bhaktapur von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt. Trotz des Schutzstatus ist die Altstadt mit den kunstvoll verzierten Gebäuden im newarischen Baustil an vielen Stellen in einem beängstigend schlechten Zustand.

Kathmandu, das wird mir bei meinen Spaziergängen klar, ist eine alternde Diva von beeindruckender Schönheit, die ihren besten Jahren leise hinterher trauert.

Das Kathmandu-Tal bietet nicht nur die atemberaubenden Altstädte von Kathmandu, Paten und Bhaktapuq, sondern auch die beiden buddhistischen Heiligtümern Bodnath und Swayambhunath sowie den berühmten Shira-Tempel Pashupatinath.

Bodnath – Stupa und tibetische Enklave

Einer meiner Lieblingsplätze in Kathmandu ist der jahrhundertealte Stupa von Bodnath. Er gilt als eine der bedeutendsten buddhistischen Pilgerstätten und bildet mittlerweile das Lebenszentrum für viele Tibeter im nepalesischen Exil. Kaum trete ich durch das große Tor zwischen den Häusern, eröffnet sich mir eine völlig andere Welt. Die Hektik von Kathmandu scheint plötzlich in weiter Ferne zu liegen. Schon nach wenigen Schritten erfasst mich die besondere Ruhe, die über dem Ort liegt. Auf dem Pflaster wird Räucherwerk verbrannt, dass seinen Duft in graublauen Schwaden über dem Platz verbreitet.

Für alle, die wie ich ständig über das Wort “der Stupa” stolpern – es handelt sich tatsächlich um ein männliches Substantiv.

Nepal - Kathmandu - Reisen - Stupa Bodnath

“Om mani padme hum”

Zahlreichen Pilger aus der ganzen Himalaya-Region umrunden besonders in den Morgen- und Abendstunden der Stupa im Uhrzeigersinn. Die bunten Gebetsfahnen flattern im Wind. Man hört nur das leise Schlurfen der Füße, während die Gläubigen “Om mani paddle zum” murmeln und dabei die Gebetsmühlen an der Stupa drehen.

Om mani padme hum ist das älteste und bis heute populärste Mantra des tibetischen Buddhismus. Im Rezitieren des Mantras drückt sich das Mitgefühl für alle leidenden Lebewesen und der Wunsch nach Befreiung von den Wiedergeburten aus.

Der Weg zur Erlösung

Der Stupa ist eine überlebensgroße Darstellung von Buddha. Zwischen den blauen, aufmerksamen Augen Buddhas befindet sich anstelle der Nase die Nummer 1 des Nepali-Alphabets. Eine Erinnerung daran, dass der buddhistische Weg der einzige Weg zur Erlösung ist. Diesen Weg muss jeder Einzelne selbst einschlagen.

Im Buddhismus geht es dabei um ein stetiges Fortschreiten auf dem Pfad der Erkenntnis. Um den Einsatz des eigenen Verstandes und dem Erlangen von Weisheit. Um ethisches Verhalten und die Entwicklung von Mitgefühl. So befreit sich der Mensch nach und nach aus dem Leid des Daseins bis hin zu Erlösung.

Swayambhunath – 365 Stufen führen zu Buddha

Etwas außerhalb von Kathmandu liegt auf einem Hügel der Stupa von Swayambhunath. Am Fuße der Hügel befindet sich eine Steinplatte mit den Fußabdrücken Buddhas. Ich nehme die steile Treppe mit den 365 Stufen zur Tempelanlage. Gehe vorbei an flatternden Gebetsfahnen, mit Malas geschmückten Buddhas, bunten Figuren und Mainsteinen. Ich sehe Gläubige, die in Andacht vertieft ihre 108 Verbeugungen praktizieren.

Blickt man von den letzten Stufen der langen Treppe nach oben, sieht man der Hauptstupa mit den allsehenden Augen Buddhas. Rundherum befindet sich ein Gewirr an größeren und kleineren Klostergebäuden, in denen zahllose Butterlampen im Halbdunkel flackern. Am Fuß der Stupa reihen sich die Gebetsmühlen aneinander, die von den Gläubigen im Uhrzeigersinn abgeschritten und gedreht werden.

Nepal - Reisen - Reisetipp - Kathmandu - UNESCO Weltkulturerbe - Swayambhunath - Hauptstupa
Swayambhunath gilt mit ca. 2.500 Jahren als eine der ältesten buddhistischen Tempelanlagen der Welt.

Pashupatinath – für Shiva, dem Herrn aller Wesen

Das hinduistische Heiligtum liegt östlich von Kathmandu, an den Ufern des heiligen Bagmati Flusses. Der Haupttempel darf nur von Hindus betreten werden. Immerhin kann ich einen Blick durch das Tor erhaschen und schaue direkt auf das fleischige Hinterteil eines großen, goldenen Stiers. Das Nandi genannte Reittier von Shiva liegt dort als Wächter. Als Hauptheiligtum wird ein monumentaler Lingam verehrt. Er steht für die Schöpferkraft Shivas und die Vereinigung der göttlichen und weltlichen Prinzipien.

Nepal - Reisen - Reisetipp - Kathmandu - UNESCO Weltkulturerbe - Lingam-Darstellung Pashupatinath
Auch an anderen Stellen des Tempelkomplexes tauchen immer wieder Lingam-Darstellungen auf.

Der Fluss Bagmati teilt die Anlage in zwei große Bereiche. Auf der einen Seite der Pashupatinath-Tempel und die Verbrennungsstätten – die Arya Grats und die Surya Grats. Die Arya Grats sind den höheren Kasten und die Surya Grats den niederen Kasten zugeteilt. Es ist der Wunsch vieler Hindus ist, hier verbrannt zu werden. Deshalb sieht man an etlichen Stellen Feuer qualmen und dicke Rauchschwaden ziehen am Ufer entlang. Mir wird ein bisschen mulmig, als ich darüber nachdenke, dass hier gerade Menschen verbrennen. Aber in Nepal ist das ein tagtägliches und normales Ereignis.

Nepal - Reisen - Reisetipp - Kathmandu - UNESCO Weltkulturerbe - Verbrennungsstätten - Pashupatinath
Die Rauchschwaden von den Verbrennungen hängen konstant in der Luft.

Gegenüber dem Pashupatinath-Tempel und der Verbrennungsstätten kann man auf einer Treppe den Hügel zu den 15 Schreinen des Pandra Shivalaya Komplexes hinaufsteigen. Bevölkert wird das gesamte Areal von Sadhus, sogenannten “Heiligen Männern”. Sie haben eine asketische Figur, verfilzte Haare, eine auffällige Gesichtsbemalung – und ihre Geschäftstüchtigkeit ist unschlagbar. Ich hatte keine Lust, mich in Verhandlungen zu verstricken, was eine Geldspende im Austausch gegen eine Fotoerlaubnis angeht. Deshalb habe ich meine Kamera in der Tasche gelassen.

Fakten & Wissenswertes

Es befinden sich sieben UNESCO Weltkulturdenkmäler im Kathmandu-Tal.

Bei drei Weltkulturdenkmälern handelt es sich um Paläste, die früher von Königsfamilien bewohnt wurden. Kathmandu Durbar Square, Bhaktapuq Durbar Square und Patan Durbar Square.

Die von der UNESCO ausgezeichneten Heiligtümer sind die Stupas von Swayambunath und Boudhanath. Auch die Tempelanlagen von Pashupatinath und Chang Narayan gehören dazu.

Changu Narayan liegt als einzige Welterbe-Stätte nicht im Gebiet der drei alten Königsstädte des Kathmandu-Tals, sondern ca. 6 Kilometer nördlich von Bhaktapur auf einem Hügel.


Disclaimer: Dieser Artikel entstand auf Basis einer selbst bezahlten Reise.

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Comments 11
  1. Hallo Beatrice, ein sehr schöner Bericht von Dir über Nepal! Wir waren auch vor ein paar Jahren dort, und nach dem Erdbeben denken wir wieder öfter daran zurück.

    Viele Grüße aus München,
    Alejandro und Birgitta

  2. Liebe Beatrice,

    wenn ich deinen tollen Bericht lese, habe ich das Gefühl mit dir in Kathmandu gewesen zu sein, so eindringlich sind deine Beschreibungen. Gleichzeitig verursacht das Betrachten der Fotos Gänsehaut, wenn ich mir überlege, wie es dort heute aussehen muss. 🙁

    LG Antje

    1. Liebe Antje, vielen Dank! Kathmandu ist mir tatsächlich ziemlich unter die Haut gegangen und die aktuellen Bilder lassen ahnen, wie schlimm es die Menschen und das Land getroffen hat.

  3. Hallo Beatrice,

    wow was für Eindrücke alleine schon von den Bildern her. Schade das hier dem Verfall der schönen Gebäude & co nicht entgegen getreten wird. Ich hätte mich ja etwas gefürchtet beim Stromausfall und den dunklen Gassen 😉
    Liebe Grüße Tanja

    1. Ja, habe gestern diesen Artikel vom letzten Jahr noch mal ein bisschen überarbeitet – aus aktuellem Anlass: viel von dem, was hier noch zu sehen ist, wurde durch das schreckliche Erdbeben zerstört. Wenn das Schlimmste überwunden ist, wird man wohl mit dem Aufbau beginnen und das wird vermutlich Jahre dauern.

  4. Och, ich liebe Kathmandu! Ich war vier Monate dort und habe die Stadt lieben gelernt. Dort werden tatsächlich alle Sinne aufs mal angegriffen und das kann einem ganz schön aus der Bahn werfen. Bei mir wars jedenfalls so. Aber sobald der Kulturschock überwunden ist, nimmt man die Schönheit der Stadt wahr, die vielen speziellen Ecken und die freundlichen Bewohner.

    1. Oh, wow! Vier Monate in dieser Stadt verbringen zu dürfen, ist natürlich ganz großartig. Dann hat man genug Zeit, sich zu “akklimatisieren” und auf dieses ganz andere Leben einzustellen. Kein Wunder, dass Du Kathmandu so ins Herz geschlossen hast. Das wäre mir vermutlich genauso gegangen. Liebe Grüße!

  5. Hallo Beatrice,
    Kathmandu… ja, ich glaub das ist schon toll! Ich hab es übrigens auf meiner Bucket List stehen…
    Ich liebe ja diese Orte, die ein einziger Angriff auf alle unsere Sinne sind, und so ist es wohl dort auch, oder?
    Hast Du da eigentlich einen Buttertee getrunken? Ich kann mir gar nicht richtig vorstellen wie der schmecken soll! 😉
    Liebe Grüße
    Melanie

    1. Ja, Kathmandu ist wirklich ein Angriff auf alle Sinne. Buttertee habe ich dort nicht getrunken. Ich glaube, so richtig verbreitet ist der besonders im Norden von Nepal und in Tibet. Ich möchte auch sehr, sehr gerne mal nach Tibet und spätestens dann werde ich den Tee sicher auch testen können. Ich stelle mir das so ähnlich vor, wie eine ziemlich fette Brühe. Wahrscheinlich erst mal ziemlich ungewohnt, aber wenn man es ein paar mal trinkt, wird’s besser… Bei solchen Gelegenheit merkt man immer (wie ich finde), das Geschmack “gelernt” ist – wenn man sich erst mal daran gewöhnt hat, schmeckt’s auch auf einmal. 😀
      Ganz liebe Grüße zurück,
      Beatrice

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