Was ist Overtourism und wie kannst du als Reisender damit umgehen?

overtourism

Gibt es zu viele Touristen? Die meisten Vertreter der Reisebranche würden jetzt wahrscheinlich sagen: nein. Aber bei den Anwohnern in den betroffenen Regionen regt sich Widerstand: es gibt Demonstrationen auf Mallorca, Bürgerinitiativen in Venedig und Protestaktionen in Barcelona. 

Etliche Destinationen haben in den zurückliegenden Jahren ein rasantes Wachstum erlebt, die Besucherzahlen sind in die Höhe geschnellt und wenn man bei Google den Suchbegriff “zu viele Touristen” eingibt, bekommt man eine Ahnung davon, dass eine Vielzahl der klassischen Reiseziele in Europa davon betroffen sind.

Metropolen wie Paris, London oder Prag stöhnen unter dem Andrang. Selbst das abgelegene Island bekommt Probleme, weil mittlerweile jährlich rund 2,3 Millionen Besucher in dem kleinen 330.000-Einwohner-Land unterwegs sind. Überall mehrt sich die Erkenntnis: So kann es nicht weiter gehen.

Was steckt hinter dem Begriff Overtourism?

Vor eine paar Tagen bin ich auf den Begriff des Overtourism gestossen – er meint die Überflutung mit Touristen von Destinationen und Besucher-Hotspots, welche deshalb mit negativen Auswirkungen zu kämpfen haben. Mancherorts wird auch von Touristifizierung gesprochen, weil Gäste aus dem Ausland die Einheimischen aus ihren Vierteln verdrängen.

Beispiel Venedig: Die rund 54 000 Einwohner der altehrwürdigen Lagunenstadt werden pro Jahr von 25 bis 35 Millionen Touristen überrannt, die zu einem großen Teil Tagesgäste von Kreuzfahrtschiffen sind. Die ein- und auslaufenden Riesenschiffe zerstören die Fundamente und was noch dazu kommt: Die Besucher schlafen und essen an Bord, was heisst, dass die überfüllte Stadt nicht mal von den Gästen profitiert.

Muss der Tourismus reguliert werden?

Ganz sicher ist der starke Anstieg der Besucherzahl ein Problem, für das jedes Land und jede Destination individuelle Antworten und möglicherweise auch klare Grenzwerte braucht. Wie viele Hotels darf es geben? Dürfen Wohnungen an Touristen statt an Einheimische vermietet werden und wenn ja, in welchem Umfang? Muss es Obergrenzen für Besucher geben, z. B. für bestimmte Sehenswürdigkeiten? Da stehen Entscheidungen an, die auf politischer Ebene getroffen werden müssen.

Beispiel Dubrovnik: Auch hier konnte man sich nie über mangelnde Besucher beschweren, aber seit die Stadt durch “Game of Thrones” noch zusätzlich extrem an Popularität gewonnen hat, drängt sich ein nicht endender Gästestrom durch die ehrwürdige Altstadt. Auch hier sorgen die Kreuzfahrtschiffe für steten Nachschub, sodass es jetzt Überlegungen gibt, nur noch eine begrenzte Anzahl Besucher pro Tag zu erlauben.

Was kann man als Reisender gegen Overtourism tun?

Die einfachste Antwort auf diese Frage wäre: zu Hause bleiben. Vermutlich gäbe es aber nur wenige Menschen, die sich mit dieser Lösung zufrieden gäben und eine spürbare Verbesserung kann man durch das Fernbleiben dieser Minderheit vermutlich nicht erreichen.

Overtourism ist ein globales Phänomen, dass mit der steigenden weltweiten Mobilität zusammenhängt. Der Höhepunkt des weltweiten Tourismus ist dabei noch nicht längst nicht erreicht. Schätzungen zufolge soll bis zum Jahr 2030 die Zahl der international Reisenden auf 1,8 Milliarden steigen. Das heisst, dass die Probleme im Zusammenhang mit der globalen Reiselust drängender werden und Lösungen gefunden werden müssen.

Was ich unabhängig davon versuche, ist mein eigenes Reiseverhalten kritisch zu hinterfragen. Wie oft will ich reisen, wohin will ich reisen, wie will ich reisen?

Neue Reiseziele definieren

Muss es unbedingt Barcelona oder Rom sein? Ich persönlich will nicht warten, bis vielleicht in den betroffenen Regionen Maßnahmen ergriffen wurden, um den Besucheransturm zu regulieren. Hinzu kommt, dass ich ohnehin nicht so gerne an Orte reise, wo sich schon die Touristen drängen und ich mich möglicherweise nicht so willkommen fühle, weil die Einheimischen mit den negativen Auswirkungen des Reisebooms zu kämpfen haben.

Es gibt so viele interessante Städte und Regionen, die man erkunden kann und die nicht annähernd so überlaufen sind. Die spannendsten Eindrücke hatte ich oftmals an Orten, die sich noch nicht im Zentrum des allgemeinen Tourismus-Radars befinden, wie z. B. Tirana oder Tiflis. Ein El Dorado für Skifahrer ist z. B. Sotchi.

Aufenthalt besser planen & nachhaltiger gestalten

Wer auf eine ganz besondere Destination nicht verzichten möchte, kann zumindest versuchen, seinen Aufenthalt nachhaltiger zu gestalten und sich mit seiner Art des Reisens auseinander setzen.

Reisezeit – Bewusst die Nebensaison bevorzugen

Wer gerne eine ganz bestimmtes Reiseziel kennenlernen möchte und weiss, dass dort viele Touristen unterwegs sind, kann sich ganz gezielt für die Nebensaison entscheiden und seinen Trip dann planen, wenn der Hauptansturm vorbei ist.

Reiselänge – Slow Travel statt Kurztrip

Auch über eine Verlängerung der Reise lässt sich möglicherweise nachdenken, denn die Länge des Aufenthalts sollte in Relation stehen zur zurückgelegten Entfernung. Statt eines Wochenend-Kurztrips kann man eine Stadt und gleichzeitig die umliegende Region erkunden – und dabei auf Übernachtungsmöglichkeiten außerhalb ausweichen.

Reiseanbieter – Genau hinschauen lohnt sich

Muss es ein Sonderangebot sein oder gibt es umweltbewusste Anbieter (z. B. Öko-Hotels vor Ort), die ich durch meine Buchung unterstützen kann? Indem ich mein Geld für Veranstalter ausgebe, die sich in meinem Reiseland engagieren und das lokale Business unterstützen, entscheide ich mich auch gegen Anbieter, die nichts oder nur wenig tun.

Sehenswürdigkeiten vor Ort – Sich nicht mitten ins Getümmel stürzen

Wer sich intensiv mit Land und Leuten auseinander setzt, hat meist die schönere Reise. Die besten Begegnungen und Erlebnisse hat man oft nicht an den bekannten und überfüllten Sehenswürdigkeiten, sondern abseits der allgemeinen Trampelpfade.

Meine subjektiven & garantiert nicht überfüllten Top 3 in Europa

Albanien – Albaner sind die gastfreundlichsten Menschen, die ich jemals erlebt habe. Ein wunderschönes Land zum Wandern. Leckeres Essen. Preisgünstig zum Reisen. Infrastruktur ist noch nicht perfekt, aber man kommt gut zurecht.

 Georgien – Faszinierende Hauptstadt Tiflis. Wer Berge mag, kommt hier voll auf seine Kosten. Alte Kultur mit vielen Kirchen. Freundliche, offen Menschen. Das Essen ist der Hammer.

Norwegen – Wahnsinnsnatur & weite Landschaften. Leider ziemlich teuer.

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Comments 14
  1. Da bin ich voll bei dir. Ein Wochenende in Gdańsk oder Sarajevo gibt mir beispielsweise auch mehr als eines in Barcelona oder Rom. Allerdings werden solche kleineren Perlen halt nicht beworben und man muss schon mehr Rechercheaufwand betreiben – gut, wenn man daran Freude hat.

    Viele Grüße!
    Stefan

  2. Interessante Gedanken, Beatrice.

    Ich finde das beim Reisen immer sehr schwer. Meistens entscheide ich mich dann für einen Mittelweg, und versuche bei großen Attraktionen meine Besuchszeit so zu planen, dass ich es möglichst für mich genießen kann. Wie etwa Chichen Itza in Mexico, Machu Picchu in Peru, Empire State Building in NY, usw. Entgehen lassen möchte ich mir diese Highlights dann meistens doch nicht. Gleichzeitig achte ich beim Reisen schon darauf, möglichst kleine, lokale Anbieter für etwaige Touren zu wählen, und auch mal ins Hinterland zu kommen.
    (Auch nach Island möchte in unbedingt, mal schauen wie sich das vereinbaren lässt. dann wohl eher in der Nebensaison)
    Eine schwierige Gratwanderung.

    LG, Jakob

    1. Vielen Dank, Jakob!

      Ich denke, wenn man sich wirklich Gedanken macht, so wie du das tust, ist das glaube ich schon mal eine ganz andere Sache. Aber es lohnt sich in jedem Fall, auch mal die weniger populären Ziele zu erkunden. Gerade dort habe ich oft Highlights entdeckt, die teilweise bekannte Sehenswürdigkeiten echt getoppt haben.

      Viele liebe Grüße!

  3. Liebe Beatrice! Ein schöner Beitrag, der genau die Probleme und auch Möglichkeiten aufzeigt. Wenn mehr Blogger unbekannte Gefilde und alternative Reisen aufzeigen, würden sich vielleicht mehr Menschen auf den Weg zu nachhaltigen Urlauben abseits des Mainstreams und der Hauptreisezeiten machen. Im Sinne der Menschen und der Natur vor Ort wäre es bestimmt. Danke dafür, Uta

  4. Hey Beatrice,
    da hast du ein gutes Thema aufgegriffen. Wir fahren auch lieber an Orte, an denen sich die Touristen nicht stapeln und davon gibt es wirklich genug. Gerade am Beispiel Spanien habe ich das im Oktober erst auf unserem Roadtrip mitbekommen. Das Land ist so groß, hat so viele schöne Regionen und tolle Städte zu bieten, die nicht so überlaufen sind. Nur kommt man da halt nicht so bequem mit dem Billigflieger hin und oft fehlt wahrscheinlich das Interesse oder die Schnäppchenangebote sind einfach zu verlockend. Und dann ist der Mensch ja auch ein Gewohnheitstier. Ick wees och nich – ein Ding ist das jedenfalls nicht.
    Liebe Grüße
    Lu

    1. Tja, eine Kombination aus den ganzen von dir genannten Gründen ist es bestimmt. Viele Urlauber suchen vermutlich auch ganz oft “Verlässlichkeit” und fühlen sich wohl, wenn sie “unter sich” sind. Bei mir ist ja eher das Gegenteil der Fall… Ganz liebe Grüße zurück!!!

  5. Danke für diesen Beitrag, Beatrice! Diesen Sommer war ich nach vielen Jahren mal wieder zu Besuch bei meiner spanischen Freundin auf Mallorca und habe fast das Gruseln bekommen. Voll, voller, am Vollsten. Die Einheimischen ächzen und bleiben im Sommer lieber daheim, weil am Strand kein Platz mehr ist und in der Innenstadt von Palma kein Sitzplatz mehr in einem Cafe zu bekommen ist. Warum müssen denn immer alle, wie die Lemminge, an die gleichen Orte strömen? Es gibt doch auch unbekanntere Ecken, die man mal besuchen kann. Da ist es auch schön. LG/ Nadine

    1. Ich bin noch nie der Typ gewesen, den es an klassische Ferienziele gezogen hat. Es gibt wirklich so viele andere tolle Plätze, die sich zu erkunden lohnen. Aber es gibt wohl auch jede Menge Urlauber, die wollen hauptsächlich Fun, Sonne & Strand. Die setzen dann auf die praktischen Sonderangebote bekannter Destinationen und da liegt wohl z. B. Mallorca ganz weit vorn. Nicht zu vergessen die ganzen Gäste, die sonst vielleicht in die Türkei oder nach Ägypten geflogen wären…

  6. Ein sehr wichtiges Thema, mit dem ich mich auch schon länger auseinandersetze. Ich denke, dass gerade wir als Blogger, die wohl auch einen kleinen, aber doch realen Einfluss auf das Reiseverhalten anderer haben, hier verantwortungsvoll vorgehen sollten.

    Ich habe mich für meinen Teil entschieden, den redaktionellen Schwerpunkt auf Orte zu setze, die noch nicht so bekannt, aber trotzdem sehr sehenswert sind, wie zum Beispiel Georgien. Damit verliere ich wohl etwas bei den Werbeeinnahmen, aber ich habe so das Gefühl, dass ich etwas Gutes tue, wenn ich dabei helfe, die Touristenströme etwas besser auf der Welt zu verteilen.

    1. Ich denke da ganz ähnlich wie du und hoffe, einen winzigen Beitrag zu leisten mit dem Erklären von Hintergründen und der Erkundung und Empfehlung eher unbekannter Orte.

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