Einatmen, ankommen, erinnern: Weimar war einmal mein Zuhause. Eine Stadt, durch die ich als Kind gelaufen bin, als Jugendliche meine ersten Cafés entdeckt habe und in deren Parks ich zwischen Alltag und Tagträumen pendelte. Jetzt, viele Jahre später, kehre ich zurück – nicht nur für einen Besuch, sondern für eine Woche in aller Ruhe. Ohne Termine, ohne Erwartungen. Nur ich, mein Laptop, ein alter Bauernhof in Kromsdorf – und ein ganzes Stück Vergangenheit.
Dieser Artikel ist kein klassischer Reisebericht, sondern eine persönliche Spurensuche. Ein Blick auf Weimar jenseits von Goethe-Kitsch und Touristenpfaden. Sieben Tage – sieben Eindrücke, Orte, Momente. Slow Travel auf vertrautem Boden. Für alle, die das Tempo drosseln wollen. Und für alle, die wissen, dass manchmal eine Rückkehr mehr verändert als jede neue Entdeckung.
Inhalt auf einen Blick
Rückzugsort mit Herz – Wohnen vor den Toren Weimars
Ein ehemaliges Knechtzimmer war mein Rückzugsort für eine Woche. Mitten in Kromsdorf, vor den Toren von Weimar, wohne ich auf einem 300 Jahre alten Bauernhof, der nicht auf Hochglanz gestylt ist. Die Zimmer sind liebevoll renoviert und mit alten Möbeln eingerichtet. Kein Designer-Refugium, aber dafür mit Seele, Geschichte und echter Wärme. Schon bei meiner Ankunft stand ein gefüllter Korb in der Küche: Nudeln, Tomatensauce, eine Fischkonserve – damit ich am Sonntagabend nicht hungrig bleibe.




Am nächsten Morgen dann: frische Eier, Olivenöl, Gewürze, eine Schale Suppe und ein Sträußchen Kräuter vor der Tür. Ich war wirklich gerührt über so viel liebevolle Gastfreundschaft. Hier kann man ganz für sich sein, im Vorgarten sitzen, sich aus den Kräuterbeeten bedienen – oder sich mit den herzlichen Gastgebern unterhalten und den Hofhund kraulen. Das Bad liegt drüben im Haupthaus, der Bus nach Weimar fährt nicht jede Stunde, aber wer das entschleunigte Leben sucht, ist hier genau richtig.
Airbnb: Gästezimmer am Ilmradweg
Wenn du Weimar einmal jenseits der Hochglanzkulissen erleben willst – komm im eigenen Tempo. Diese Stadt entfaltet sich, wenn man ihr Zeit lässt.
Slow Travel in Weimar
Slow Travel Tipp – Spaziergang im Park an der Ilm
Früh am Morgen durch Goethes Park zu spazieren, ist für mich ein ganz besonderes Ritual – perfekt für alte Erinnerungen, ein bisschen Bewegung und ein paar stimmungsvolle Fotos. Ich liebe diesen Ort. Schon als Kleinkind bin ich mit meinen Eltern durch den Park an der Ilm gestreift. Ich kenne jede Perspektive, jeden Weg – und doch entdecke ich bei jedem Besuch wieder neue Winkel und Stimmungen.



Der Park gehört zu den bedeutendsten Landschaftsparks in Deutschland und wurde ab 1778 nach englischem Vorbild angelegt – mit fließenden Übergängen zwischen Natur und Gestaltung. Johann Wolfgang von Goethe war maßgeblich an seiner Entwicklung beteiligt und wohnte selbst im Gartenhaus, das bis heute erhalten ist und besucht werden kann. Neben der Ilm, die sich durch das Gelände schlängelt, finden sich hier geschwungene Wege, Brücken, Statuen, kleine Tempel und alte Bäume, die teilweise schon über 200 Jahre alt sind. Der Park ist für mich ein Stück lebendige Weimarer Geschichte – und der ideale Platz zum Erholen.
Hier geht es zum Standort auf Google Maps: Park an der Ilm
Weimars Wohnzimmer – Das „Resi“
Das Residenz Café – oder kurz: das „Resi“ – ist für mich ein Stück gelebte Weimarer Geschichte. Es ist das älteste Kaffeehaus der Stadt, eine Institution seit 1839, und ich kenne es noch aus Kindertagen. Schon zu DDR-Zeiten war es mein Anlaufpunkt, wenn ich als Jugendliche einen Kaffee trinken wollte – und mir dabei unglaublich erwachsen vorkam.


Bis heute hat das „Resi“ seinen ganz eigenen Charme bewahrt. Die Einrichtung ist eher urig als schick, erinnert ein wenig an eine Kneipe, und genau das macht es so gemütlich. Man kommt hier zu jeder Tageszeit zusammen – ob zum Frühstück, auf einen Nachmittagskaffee oder zum deftigen Abendessen. Das Publikum ist bunt gemischt: Schüler, Studenten, alteingesessene Weimarer, Geschäftsleute und Touristen sitzen hier ganz selbstverständlich nebeneinander. Auf der Karte findet man alles, was satt macht – von der klassischen Thüringer Bratwurst bis zur Weimarer Grillplatte. Aber auch für Vegetarier und Veganer gibt es passende Gerichte. Ein Ort, an dem man sich sofort willkommen fühlt – gerade weil er so unprätentiös ist.
Mehr Informationen: www.residenz-cafe.de
Regional. Echt. Weimar – Marktbesuch mit allen Sinnen
Ein Bummel über den Wochenmarkt gehört für mich einfach zum Slow Travel Weimar Programm dazu, wenn ich in der Stadt bin. Von Montag bis Samstag kann man hier täglich von 9 bis 14 Uhr über den Marktplatz vor dem historischen Rathaus schlendern – ein schöner, entspannter Start in den Tag. Der Markt ist überschaubar und je nach Wochentag ist mal mehr und mal weniger los. Aber gerade das macht ihn so angenehm: kein Gedränge, kein Lärm, sondern ein bewusster, ruhiger Einkauf mit direktem Kontakt zu den Produzenten.



Wer sich wie ich gerne regional und saisonal ernährt, wird hier fündig: frisches Obst und Gemüse, Kräuter, Gewürzmischungen – etwa für Rotkohl oder Gänsebraten – und typische Thüringer Spezialitäten. Besonders ins Auge fallen mir immer die liebevoll gebundenen Zwiebelzöpfe, die mit Trockenblumen verziert sind. Eigentlich ist das ein Souvenir vom großen Zwiebelmarkt im Herbst, aber man bekommt sie auch das ganze Jahr über hier auf dem Wochenmarkt. Und natürlich steigt einem schon von Weitem der Duft nach frisch Gegrilltem in die Nase – der Bratwurststand mit seinen rauchenden Rosten ist Kult. Kein Ort für To-go-Hektik, sondern für einen ehrlichen, handwarmen Mittagssnack mit Weimar-Flair.
Hier geht es zum Standort auf Google Maps: Wochenmarkt Weimar
Slow Travel Tipp – Der Garten im Kirms-Krackow-Haus
Versteckt in der Jakobstraße liegt ein echter Geheimtipp: das Kirms-Krackow-Haus mit seinem verwunschenen Garten. Als ehemalige Weimarin wäre ich fast daran vorbeigelaufen – so unauffällig ist der Eingang. Doch sobald man die schmale Toreinfahrt durchschreitet, öffnet sich ein kleiner Kosmos: ein historischer Innenhof mit dem Café Lieblingsgarten, alten Weinreben und ruhiger Atmosphäre. Wer hier einkehrt, kann drinnen Platz nehmen oder sich unter einen der weißen Sonnenschirme setzen – mitten in der Stadt und doch ganz bei sich.




Der eigentliche Zauber entfaltet sich jedoch im Biedermeiergarten hinter dem Haus. Buchsbaumhecken, alte Rosen, duftende Kräuter – alles ist liebevoll gepflegt, ohne gekünstelt zu wirken. Zwischen den Beeten spazieren, sich mit einem Tee zurückziehen oder einfach die Atmosphäre aufsaugen – dieser Ort entschleunigt ganz von selbst. Kaum jemand kennt ihn, und das macht ihn umso besonderer: ein Rückzugsort mit Geschichte, mitten im alten Weimar.
Hier geht es zum Standort auf Google Maps: Café Lieblingsgarten im Kirms-Krackow-Haus
Historischer Friedhof – Geheimtipp für Slow Travel in Weimar
Es mag ungewöhnlich klingen, aber einer meiner liebsten Orte in Weimar ist der Historische Friedhof. Seit meiner Kindheit bin ich hier oft entlang geschlendert – auf dem Heimweg von der Stadt, allein mit meinen Gedanken. Für mich war es immer ein Ort der Ruhe. Zwischen alten Bäumen, moosbedeckten Grabmälern und schattigen Kieswegen macht sich eine fast parkähnliche Atmosphäre breit.



Wer möchte, kann die Fürstengruft besuchen oder die Orthodoxe Kirche – oder einfach auf einer Bank Platz nehmen und die Stille wirken lassen. Besonders im Sommer, wenn das Licht durch die alten Baumkronen fällt und ein kühler Schatten den ganzen Ort durchzieht, wirkt der Friedhof fast heiter. Ein Platz zum Durchatmen, Nachdenken, Runterkommen. Und damit genau richtig für alle, die Slow Travel Weimar im eigenen Tempo erleben wollen.
Hier geht es zum Standort auf Google Maps: Historischer Friedhof
Die Bauhaus-Universität – Campusflair mit Geschichte
Die Bauhaus-Universität Weimar ist mehr als ein Ort akademischer Lehre – sie ist gelebte Bauhaus-Geschichte. Gegründet wurde sie 1860 als Großherzogliche Kunstschule, doch mit dem Einzug von Walter Gropius und seiner Idee eines radikal neuen Gestaltens wurde Weimar zur Wiege des Bauhauses. Heute spürt man auf dem Campus diesen Geist bis in die Gegenwart: In der Mischung aus historischen Gebäuden und moderner Architektur, zwischen Ateliers und Werkstätten.





Besonders spannend ist das ehemalige Hauptgebäude, entworfen von Henry van de Velde, das mit seinen geschwungenen Linien, der Lichtführung und der berühmten Freitreppe ein architektonisches Erlebnis für sich ist. Hier begegnet man keiner klassischen Universität, sondern eher einem offenen Raumlabor. Die Studierenden arbeiten sichtbar und präsent – es ist ein Ort, an dem Gestaltung nicht nur studiert, sondern tagtäglich praktiziert wird.
Wer sich für Design und Architektur interessiert, wird hier fündig – ganz ohne Ticket, einfach durch das Flanieren über den Campus. Ein inspirierender Spaziergang durch eine Denklandschaft mit Geschichte.
Hier geht es zum Standort auf Google Maps: Bauhaus Universität Weimar / Universitätsbibliothek
Disclaimer: Dieser Artikel über Slow Travel in Weimar basiert auf meinen persönlichen Erfahrungen und Eindrücken als ehemalige Weimarerin. Ich habe die vorgestellten Orte eigenständig besucht und sämtliche Kosten für Reise und Aufenthalt selbst getragen. Der Beitrag entstand ohne Auftrag oder Bezahlung und spiegelt ausschließlich meine eigene Perspektive wider.
Noch mehr Lust auf Slow Travel? Hier geht es zu meinem Green Guide Potsdam.